Entstehung von Villenlandschaften in Noricum

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Hinweise auf vorrömische Bevölkerung

Die Nachweise von vorrömischen, LT D-zeitlichen Siedlungsplätzen im Areal bzw. nächst römischer Gutshöfe sind bislang hauptsächlich in Nordnoricum vorhanden, Beispiele sind im Hinterland von Iuvavum-Salzburg (Salzburg-Liefering, Salzburg-Morzg, Salzburg-Hellbrunn, Loig/Wals, Puch bei Hallein, Goldegg), Ovilavis-Wels (Neubau) und Flavia Solva-Wagna (Södingberg) gesichert.

 

Vorrömische Siedlungen

Aussehen

Die landwirtschaftliche Produktion spätkeltischer Zeit wird zum einen durch die Bewohner der offenen Siedlungen (z.B. in Neubau) betrieben, zum anderen sind geringe Hinweise auf Einzelgehöfte anhand der Befunde in Hellbrunn (Blockbau, 8,6 m², 3,45 × 2,5 m) und Puch bei Hallein (Ständerbauten) gegeben, die jeweils im näheren Umfeld römischer Villen dokumentiert sind.

Hellbrunn

Puch bei Hallein
Hellbrunn

Puch bei Hallein

Rechteckhöfe mit künstlichen Begrenzungen sind in Nordnoricum anhand der Viereckschanzen von Pocking-Hartkirchen, Biburg, Truchlaching, Sondermoning, Göming, Lochen-Stullerding und Moosbach-Waasen erfassbar. In Pocking-Hartkirchen können Nachweise der typischen Umgangshäuser in Holzständerkonstruktion (177 m², 15,5 × 11,4 m) erbracht werden.

Pocking-Hartkirchen
Pocking, Umgangshaus
Pocking-Hartkirchen
Pocking-Hartkirchen

 

Weiterleben einheimischer Siedlungstypen

Ungebrochene Entwicklungen ländlicher Siedlungen von der späten Eisenzeit bis zur Römerzeit sind nicht nachweisbar.

 

Neue Siedlungen in einheimischer Tradition

a) Geomorphologische Grundlagen/Verkehrswege

Die Lage der vier Befunde mit einheimischen Traditionen (Hohenstein, Bachloh/Bad Wimsbach, Marzoll, Loig/Wals) ist zumeist abseits der Haupverkehrsrouten auf Hochebenen bzw. markanten Kuppen festzustellen; ausschließlich für Loig/Wals ist die Nähe zu einem Verkehrsknotenpunkt und Siedlungszentrum (Iuvavum-Salzburg) gegeben.

Loig/Wals Loig-Wals
Loig/Wals
Loig/Wals

 

b) Zeitpunkt der Entstehung

Die Datierung der auf einheimischen Traditionen fußenden Gehöfte ist aufgrund der mangelhaften Fund-/Befundvorlagen zumeist nicht möglich. Ein Zeitansatz ab dem 1. Jh. n. Chr. ist für nicht näher spezifizierbare Holzbaubefunde unter den Steinbauperioden des Gutshofs von Marzoll anzunehmen, für den ältesten Bauzustand des Gebäudes C von Loig/Wals wird eine Entstehungszeit während der mittleren Jahrzehnte des 1. Jhs. n. Chr. postuliert.

c) Aussehen

Die Charakteristika der auf einheimischen Traditionen fußenden Gehöfte sind in erster Linie an den Wohngebäuden, Ein- bzw. Mehrraumhäuser mit einem quadratischen bis rechteckigen Kernraum, zu erfassen (Hohenstein, Bachloh/Bad Wimsbach). In Hohenstein, Südnoricum, weist das Wohnhaus 221 m² Grundfläche (16 × 13,8 m) und einen Keller auf. Das Wohnhaus befindet sich gemeinsam mit einem Wirtschaftsgebäude in einem eingefriedeten unregelmäßig viereckigen Areal von 4066 m². Die Steinsockelfundamente tragen einen Holzständerbau.


Hohenstein
Hohenstein

In Loig/Wals zählt ein annähernd quadratisches Gebäude mit einer Fläche von 117 m² (10 x 11,7 m) und schmalem Umgang mit lichter Weite von 1×1,3 m gemeinsam mit einem Einraumhaus zum ältesten Baubestand der Villa. Umgangs- und Einraumhaus weisen Steinfundamente auf. Als Innenausstattung des Umgangshauses ist ein quadratisches Wasserbecken zu vermerken, Stuck- und Wandmalereireste könnten gleichfalls Teil des Raumdekors der ersten Bauperiode sein. Der Bauplan erinnert aufgrund des schmalen Umgangs an die üblichen Baumuster der Umganghäuser in den Viereckschanzen. Im 2. Jh. n. Chr. wird das Umgangshaus von einem Gebäude mit Portikus abgelöst.

Loig
Loig
Loig
Loig/Wals
1. Jh. n. Chr
Loig/Wals
2. Jh. n. Chr.
Loig/Wals
2. / 3. Jh. n. Chr.

 

Weiterentwicklung zur römischen Villa

(an Einzelbeispielen mit Ausbauphasen und Datierungen)

Zwei Befunde in Nordnoricum verdeutlichen die Verquickung von einheimischen Traditionen und Adaptionen mediterraner Vorbilder der Gehöftarchitektur:

In Bachloh/Bad Wimsbach ist ein Beleg des 2. Jhs. n. Chr. vorzufinden: Das Wohnhaus von 176 m² (16 × 11 m) wird durch den annähernd quadratischen Kernraum von 27 m² (5 × 5,4 m) mit Fußbodenheizung und Wandmalerei dominiert, um den sich an zwei Seiten ein Umgang und an einer Seite ein weiterer hypokaustierter Raum mit anschließender Küche gruppieren. Die Gesamtfläche des Gutshofs von mindestens 8550 m² (95 × 90 m) ist eingefriedet. Den keltischen Traditionen entspricht das Vorhandensein des annähernd quadratischen Kernraums.

Bachloh
Bachloh/Bad Wimsbach
Bachloh/Bad Wimsbach
Bachloh/Bad Wimsbach

In Marzoll ist der Ausbau zu einer Villa überregionalen römischen Typs über mehrere Bauperioden hinweg zu verfolgen, wobei die ältesten Holzbauperioden nur in Teilbereichen unter den späteren, in Stein gebauten Villen flächig dokumentiert sind. Für die Anlage der Steinbauten werden demnach zum größten Teil Siedlungsstellen ohne Vorgängerbebauung gewählt.

Innenhofhaus: Der erste Ausbau in Stein (Bauperiode 4, 120/130 bis 170/180 n. Chr.) mit einer Gesamtfläche von rund 1669 m² (30 × 53 und 7,5 × 10,5 m) lässt die Gruppierung von Wohnräumen mit Estrichböden um einen Innenhof erkennen. Der hypokaustierte Kernraum mit 39 m² (6 × 6,5 m) ist an der Mittelachse des Hofs ausgerichtet und an die geradlinige Bauflucht außen angefügt, stellt also einen von den übrigen regelmäßig linear angeordneten Räumen unabhängigen Baukörper dar. Die Besonderheit dieses Raums findet auch in der jüngsten Ausbauphase dieses Gutshofs Berücksichtigung, was als weiteres Indiz für die aus lokalen Traditionen herzuleitende zentrale Bedeutung des annähernd quadratischen Kernraums als Mittelpunkt der Wohnarchitektur gelten kann.

Hallenhaus mit Portikus-Risalit-Fassade: Der jüngste Bauzustand der Villa von Marzoll (Bauperiode 5, 180 bis Mitte des 3. Jhs. n. Chr.) repräsentiert ein Hallenhaus mit Portikus-Risalit-Fassade. Die rund 626 m² (maximal 53,5 × 13,5 m) große Anlage lässt ähnlich der älteren Struktur der Bauperiode 4 den axialen Kernraum erkennen, der in Bauperiode 5 ebenso wie drei weitere Räume nunmehr mit Mosaiken ausgestattet ist. Polychrome Wandmalerei in Flächen-/Tapetenmuster ist gleichfalls festzustellen (s. unten).

Marzoll Marzoll, Periode 4 Marzoll, Periode 5
Marzoll,
Befunde im Überblick
Marzoll,
Periode 4 (120/130 bis 170/180 n. Chr.)
Marzoll,
Periode 5 (180 bis Mitte des 3. Jhs. n. Chr.)

 

 

Römische Villentypen (an Beispielen)

a) In der Nähe von Städten

In Nordnoricum ist die größte Dichte an Villenfundplätzen im näheren Umkreis von Iuvavum-Salzburg festzustellen. Streubauhöfe sind typisch, die in wenigen Fällen in größerem Umfang ergrabenen Haupthäuser repräsentieren Portikusvillen (Salzburg-Liefering, Kemeting). Aus dem 1./2. Jh. n. Chr. stammt beispielsweise die Anlage einer Portikusvilla in Salzburg-Liefering. Das Haupthaus misst 475 m² (26,7 × 17,8 m), die Gesamtfläche des eingehegten Grundstücks dieses Streubauhofs beträgt 18000 m² (180 × 100 m) und ist mit einem weiteren großen Wohntrakt, einem Bad sowie mit Wirtschaftsbauten, darunter ein Ziegelbrennofen, belegt. Das Vorkragen des Haupthauses über das umfriedete Gelände ist mit der Befundsituation des südnorischen Gutshofs von Radvanje vergleichbar.

Liefering Liefering
Salzburg-Liefering
Salzburg-Liefering, Haupthaus

 

b) Auf dem Land

Peristylvilla: Wenig geläufig ist bislang der Typ der Peristylvilla in Noricum, das altbekannte Beispiel aus Katsch in Südnoricum misst in der Gesamtfläche 2011 m² (48 × 41,9 m) und ist in Stein errichtet, anbei liegt ein seicht fundamentiertes Nebengebäude mit 842 m² (30,3 × 27,8 m). Das zugehörige Gräberfeld weist Bestattungen von der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. bis in das 2. Jh. n. Chr. auf.

Katsch
Katsch, Befunde im Überblick
Katsch, Haupthaus

 

Portikusvilla: Für die einfache Portikusvilla liegt ein kleindimensioniertes Beispiel aus Zgornje Dovže in Südnoricum vor. Das Wohngebäude misst 167 m² (16,4 × 10,2 m), Reste der Umfassungsmauer und von Nebengebäuden sind vorhanden. Die Datierung in das 2. Jh. n. Chr. könnte aufgrund der beim Bau verwendeten gestempelten Ziegel aus der Produktion von Paratus und Reganus indiziert sein, jedenfalls wird in Vransko die Herstellung von entsprechend gestempelten Ziegeln für diesen Zeitabschnitt angenommen.

Dovze
Zgornje Dovže

Hallenhaus mit Portikus-Risalit-Fassade: In Süd- und Nordnoricum finden sich Beispiele für Hallenhäuser mit Portikus-Risalt-Fassade. Der vollständig ausgegrabene Streubauhof von Bohova in Südnoricum besitzt eine Gesamtfläche von rund 9466 m² (98,4 × 96,2 m), auf diesem Grundstück befinden sich neben dem weitläufigen Haupthaus (maximale Länge 70 m) ein Bad, quadratische und rechteckige Nebengebäude kleinerer Dimensionen mit durchschnittlich 41 m² (6,8 × 6 m) und ein zentraler Brunnen. In Hinblick auf die Raumanordnung im Haupthaus ist wiederum ein zentraler Rechteckraum bemerkenswert mit rund 36 m² (6,5 × 5,5 m), der annähernd axialsymmetrisch im zentralen Bereich des Wohnhauses angesiedelt ist und eine Hypokaustheizung aufweist. Die Anlage wird in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. datiert. - In Nordnoricum repräsentiert der jüngste Bauzustand der Villa von Marzoll (Bauperiode 5, 180 bis Mitte des 3. Jhs. n. Chr.) ein Hallenhaus mit Portikus-Risalit-Fassade. Die rund 626 m² (maximal 53,5 × 13,5 m) große Anlage lässt ähnlich der älteren Struktur der Bauperiode 4 den axialen Kernraum erkennen (s. oben), der in Bauperiode 5 ebenso wie drei weitere Räume nunmehr mit Mosaiken ausgestattet ist; polychrome Wandmalerei in Flächen-/Tapetenmuster ist gleichfalls festzustellen (s. unten).

Bohova Marzoll
Bohova
Marzoll, Periode 5

 

Innenhofhaus mit Portikus-Risalit-Fassade bzw. Risalit-Fassade: In Engelhof, Nordnoricum, sind die Wohn- und Wirtschaftstrakte der Seitenflügel auf maximal 31 m Länge und 6 m Breite zu beobachten; die Gesamtfläche der überdachten Grundfläche dürfte rund 510 m² betragen und sich an drei Seiten um zwei Höfe gruppieren. Neben dem Hauptgebäude befindet sich ein Bad (Blocktyp). Der altgegrabene Befund wird in das 2./3. Jh. n. Chr. datiert.

Engelhof

Korridorvilla: Ein einfaches Beispiel für eine Korridorvilla liegt in Altheim-Simetsberg, Nordnoricum, vor. Ebenda kann ein Wohnhaus von 168 m² (14 × 12 m) Grundfläche mit Mittelkorridor und nachträglich angebauter Portikus dokumentiert werden. Der annähernd quadratische Kernraum 49 m² (6,5 × 7,5 m) lässt Anklänge an die Ein- und Mehrraumhäuser einheimischer Tradition erkennen, die Pfostenstellung rund um das Gebäude zeigt Bezüge zum spätkeltischen Typ des Umgangshauses. Neben dem Wohngebäude und zugleich auf dieses bezogen liegt das Badegebäude (Blocktyp). Abseits des Wohngebäudes liegt ein gleichfalls mit Pfostenstellung versehenes Einraumhaus von 54 m² (7,5 × 7,2 m), welches mit nachträglichem Einbau zu einem Mehrraumhaus erweitert ist. Mosaikreste aus einer Grubenverfüllung im Hausinneren dieses Ein-/Mehrraumhauses könnten auf einen entsprechenden Bodenbelag hindeuten. Die Siedlungstätigkeit in Altheim-Simetsberg setzt in flavischer Zeit ein, die Portikus wurde in der jüngsten Bauperiode an das Hauptgebäude angefügt.

Altheim-Simetsberg
Altheim-Simetsberg
Altheim-Simetsberg, Befunde im Überblick
Altheim-Simetsberg


Entwicklung der Villen in römischer Zeit

Deutliche strukturelle Veränderungen während des 1. bis frühen 3. Jhs. n. Chr. sind in Noricum aufgrund der fehlenden Befund-/Fundvorlagen nicht mit der nötigen Stringenz nachzuvollziehen. In Altheim-Simetsberg könnte eventuell davon ausgegangen werden, dass der in spätkeltischer Tradition stehende Typ des Umgangshauses in einem jüngeren Entwicklungsschritt von einem Gebäudetyp mit Portikus abgelöst wird. Die Errichtung von Badegebäuden dürfte dieser jüngeren Periode zuzurechnen sein.
Altheim-Simetsberg
Altheim-Simetsberg
Altheim-Simetsberg,
Umgangshäuser
Altheim-Simetsberg, Korridorvilla mit Portikus, Badegebäude


Ausstattung von Villen in Noricum (an Beispielen)

a) Bäder

Moosdorf
Elling/Moosdorf
Befunde von Bädern sind bislang hauptsächlich in Nordnoricum belegt. Als typische Bauform gilt der Blocktyp, so z. B. in Elling/Moosdorf, wo eine Anlage mit fünf Räumen, davon vier mit Hypokausten, an der Hofmauer der Villa errichtet ist (2. Jh. und erste Hälfte des 3. Jhs. n. Chr.).
Elling/Moosdorf, Befunde im Überblick
 

 

b) Heizung

Hypokaustheizungen sind in Teilbereichen der Haupt-, seltener auch in Teilen der Nebengebäude und in den Bädern ab dem 2. Jh. n. Chr. üblich.

 

c) Mosaik

Üblichweise ist mit dem vermehrten Vorkommen von Mosaikböden in norischen Gutshöfen nicht vor dem 3. Jh. n. Chr. zu rechnen, in Noricum sind die meisten Nachweise im Umland des städtischen Zentrums Iuvavum-Sazburg vorhanden. In Loig/Wals, Nordnoricum, erfolgt die Verlegung von Mosaikböden im Nebengebäude (Gebäude D) nicht vor dem 3. Jh. n. Chr. In Marzoll, Nordnoricum, lässt sich aufgrund der Befundabfolgen die Ausstattung mit Mosaikböden ausschließlich im letzten Bauzustand, also nach 180 n. Chr., belegen. Sowohl Ranken- als auch Peltendekor sind ebenda vorhanden.
Marzoll
Marzoll, Periode 5
Räume mit Mosaikböden (blau)
Marzoll
Marzoll


 

d) Wandmalerei

Bachloh
Bachloh
Felderdekoration: In Bachloh/Bad Wimsbach, Nordnoricum, sind einfache Felderdekorationen mit bunten Streifen auf weißem Grund und Stuckleisten im 2. Jh. n. Chr. im Eingangsbereich und in den beiden Wohnräumen nachzuweisen.
Bachloh/Bad Wimsbach,
Räume mit dekorativer Wandmalerei (rot)
Bachloh/Bad Wimsbach
 

Marzoll
Flächen-/Tapetenmuster: Entsprechend den Befunden von Marzoll, Nordnoricum, werden die polychromen floralen Flächenmuster nicht vor dem späten 2. Jh. n. Chr. im Wohnbereich aufgebracht.
Marzoll, Periode 5,
Räume mit dekorativer Wandmalerei (rot)
Marzoll
Marzoll


Deckenfresko: An die Tradition des vierten Stils knüpft das Deckenfresko der Villa von Lenzing-Wiesersberg, Nordnoricum, an, welches typologisch und stilistisch in das 2. bzw. beginnende 3. Jh. n. Chr. datiert wird.
Lenzing-Wiesersberg
Lenzing-Wiesersberg

 

Ausbreitung römischer Villen in Noricum

a) Geomorphologische Grundlagen/Verkehrswege

Entsprechend dem bislang bekannten Verteilungsmuster der römischen Villen in Noricum lässt sich feststellen, dass die Nähe zu den Hauptverkehrsrouten nicht das bestimmende Kriterium bei der Standortwahl ist. Dies zeigt sich am deutlichsten anhand der Fundplätze an der Straße Iuvavum-Ovilavis, wo die Mehrzahl der Villen abseits des Straßenkörpers situiert ist. Von Bedeutung bei der Anlage der Gehöfte ist häufig die Nähe zu den städtischen Zentren. Der Cluster im Umland von Iuvavum-Salzburg ist hierfür der beste Beleg, Ähnliches lässt sich auch für Ovilavis-Wels, Virunum-Zollfeld und Flavia Solva-Wagna aufzeigen. Im Ballungsraum um Iuvavum-Salzburg ist durchschnittlich alle 3 Kilometer mit einem Gehöft zu rechnen. In all diesen Fällen wird das siedlungsgünstige Land auf Terrassen bzw. Hochebenen erschlossen. Neben dieser auf Ballungsgebiete konzentrierten Verteilung sind zudem die Nachweise von Villen an Seeufern ein übliches Phänomen in Noricum. Bemerkenswert ist die geringe Erschließung des unmittelbaren Limeshinterlands durch Villen. Bezeichnend hierfür ist beispielsweise die Situation im Tullnerfeld, wo in der heute intensiv landwirtschaftlich genutzten Ebene der Limeszone keine Nachweise von Gutshöfen vorliegen, jedoch im hügeligen Hinterland eine Reihe von Villen dokumentiert ist.

 

 

b) Zeitpunkt der Entstehung

Die Anfangsdatierungen der Villen sind durchwegs nicht eruierbar. Für Loig/Wals ist eine Nutzung des Villenareals ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. anzunehmen, Funde die noch in das 1. Jh. n. Chr. reichen sind darüber hinaus beispielsweise in Altheim-Simetsberg, Salzburg-Liefering, Salzburg-Morzg, Hallwang und Berndorf vorhanden. Der Bauboom setzt im großen Maßstab jedenfalls nicht vor dem 2. Jh. n. Chr. ein. Der Ausbau zu großräumigen Anlagen mit Mosaikdekor wie beispielsweise Loig/Wals und Graz-Thalerhof erfolgt im Verlauf der ersten Hälfte des 3. Jhs. n. Chr.

 

 

Wirtschaftliche Grundlagen der Villen

a) Produktion

Metall: Nahe den Erzabbau- und Erzverhüttungsplätzen im zentralen Südnoricum (Mösel) befindet sich ein hypokaustiertes Gebäude, welche auf Schlackeplanien bzw. neben Eisenschlackenhalden errichtet ist. Die Eisenverarbeitung ist darüber hinaus für eine Reihe von Villen in Nordnoricum belegt, beispielsweise Breitenschützing, Goldegg, Steindorf, Marzoll.

Keramik: Im Areal zweier Villen in Nordnoricum ist die Produktion von Gefäßkeramik und Ziegeln befundet: Oberschauersberg, Loig/Wals (Siezenheim). Aus Loig/Wals liegen gestempelte Ziegel aus privater Produktion des L(ucius) VA(lerius) S(abinus bzw. -ianus) vor, diese wurden rund 1 km südöstlich des Gutshofs im Umkreis zweier Brennöfen sowie eines Trockenraums gefunden. In Salzburg-Liefering ist die Herstellung von Ziegeln gesichert, jene von Gefäßkeramik zu vermuten. Der Brennofen wurde an der Umfassungsmauer des Streubauhofs errichtet. Eine weitere Ziegelproduktion könnte sich bei einem Gutshof in Puch bei Hallein, Nordnoricum, befinden. Der Cluster von Ziegelproduktionsstätten im Umland von Iuvavum-Salzburg (Loig/Wals, Salzburg-Liefering, Puch bei Hallein) verdeutlicht den Bauboom in diesem Ballungsraum mit zahlreichen Villenstandorten.
Salzburg-Liefering Salzburg-Liefering,
Ziegelbrennofen (rot) im Süden des Streubauhofs
Salzburg-Liefering
Salzburg-Liefering,
Ziegelbrennofen

Textil: Webgewichte als Hinweise auf die Stoffherstellung sind bislang nur in wenigen Fällen aus Villenfundplätzen vorgelegt: z.B. Salzburg-Liefering, Nordnoricum, und Grafendorf, Südnoricum.

Lagerung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte: Die lokale Verarbeitung von Getreide wird durch Handmühlen angezeigt, so z.B. in Hörndl und Köstendorf (Tannham), Nordnoricum. Die Lagerung von großen Mengen landwirtschaftlicher Produkte in hallenartigen Bauten ist bislang nur in zwei Villen zu belegen: Loig/Wals und Breitenschützing, Nordnoricum.

b) Datierung

Der ältere Bauzustand des Getreidespeichers von Loig/Wals wird in das 2. Jh. n. Chr. datiert. Die Gesamtfläche beträgt 555 m² (14,8 × 37,5 m); die Holzkonstruktion der Innenaufteilung wird in einem jüngeren Bauabschnitt durch Steinmauern ersetzt.
Loig
 
 

Hinweise auf Villenbesitzer 

Konkrete Hinweise auf mögliche Villenbesitzer liefern die Weihealtäre, welche in den Badetrakten der Gutshöfe von Kellau-Kuchl und Kemeting gefunden wurden.


Besitzer:

Kellau-Kuchl: L. Pomp(---) Aquilinus Potens
Kemeting: L. Vedius Optatus

Kemeting
Kemeting,
Fundort des Weihealtars von L. Vedius Optatus (rot)


Zusammenfassung

Eine direkte Abfolge spätkeltischer und frührömischer landwirtschaftlich orientierter Siedlungsformen ist nicht zu belegen, auch wenn an mehreren römischen Villen-Standplätzen eine vorrömische späteisenzeitliche Nutzung nachzuweisen ist. Die lokalen Traditionen der Bauformen spiegeln sich in der zentralen Bedeutung des quadratischen Kernraums (z.B. Hohenstein, Bachloh/Bad Wimsbach, Marzoll) und des überdachten Umgangs (Loig/Wals, Altheim-Simetsberg, Bachloh/Bad Wimsbach) wider. Die größte Dichte der Vorkommen von Streubauhöfen ist im Umland des städtischen Zentrums Iuvavum-Salzburg festzustellen, also in jenem Landstrich, in dem zahlreiche Hinweise auf späteisenzeitliche Viereckschanzen vorliegen. Für die Streubauhöfe der römischen Zeit lässt sich eine stetige Steigerung der Grundstücksmaße annehmen, jedenfalls ist für jene Anlagen mit lokalen Traditionen wie beispielsweise Hohenstein (4066 m²) oder Bad Wimsbach (8550 m²) eine geringere Größe dokumentierbar als bei jüngeren Anlagen, deren Haupthaus überregionalen römischen Vorbildern verpflichtet ist, z.B. Bohova (9466 m²), Šmarje pri Jelsah (45000 m²). Großproduktionen mit eigenständigen Keramik- und Ziegelherstellungen (v.a. im Umland von Iuvavum-Salzburg) sowie mit umfangreichen Lagerhallen (Loig/Wals) bilden die Ausnahme. Auch ist die prunkvolle Ausstattung mit Wandmalerei oder Mosaiken bis zum Beginn des 3. Jhs. n. Chr. vergleichsweise selten nachzuweisen. Bei den Besitzern der Villen handelt es sich um Bürger, deren Namen auch häufiger in der Region aufscheinen können; so ist L. Vedius Optatus in Kemeting und Rotthof überliefert.

Literatur

Amt der Salzburger Landesregierung (Landesarchäologie) (Hrsg.), Archäologie beiderseits der Salzach (Salzburg1996).
R. Christlein, Ein römisches Gebäude in Marzoll, Ldkr. Berchtesgaden, BayVgBl 28, 1963, 30–57.
S. Djura Jelenko, Dr. Hans Winkler in njegov prispevek k arheologiji Mislinjske doline, Katalog Koroški pokrajinski muzej Slovenj Gradec (2004).
K. Genser, Die ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in Noricum während der Kaiserzeit (bis einschließlich 5. Jahrhundert), Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 2 (1994) 331–376.
W. Jobst, Römische Mosaiken in Salzburg (Salzburg 1982).
H.-J. Kellner, Die römischen Mosaiken von Marzoll, Ldkr. Berchtesgaden, Germania 41, 1963, 18–28.
W. Klimesch, Der römische Gutshof von Moosdorf-Elling, FÖ 43, 2004 (2005) 537–550.
M. Schaich, Zur Ausgrabung der Viereckschanze von Pocking-Hartkirchen, Lkr. Passau, Vorträge des 16. Niederbayerischen Archäologentages (1998) 157–191.
M. Strmčnik Gulič, Römische Villen nähe Maribor und das Bemühen der Bodendenkmalpflege, Savaria 20/1, 1991, 89–100.
M. Strmčnik Gulič, Villa rustica at Bohova, Balácai Közlemények 3, 1994, 278–291.
St. Traxler, Römische Guts- und Bauernhöfe in Oberösterreich, Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 9 (2004).

(H. Sedlmayer)