Keramikproduktion nach römischem Vorbild bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr.

See this text in

 

Lage der Keramik- und Terrakottenproduktion nach römischem Vorbild

Die Produktion von Gefäß- und Baukeramik ist anhand von Werkstattbefunden bislang hauptsächlich in Nord- und Südostnoricum nachzuweisen. Das größte früh- und mittelkaiserzeitliche städtische Produktionszentrum für Gefäßkeramik und Modelware ist in Iuvavum-Salzburg (Nordnoricum) angesiedelt; weitere städtische Produktionsorte in Nordnoricum sind Ovilavis-Wels und Cetium-St. Pölten. Im ländlichen Raum sind die Belege einer auf römischem Vorbild fußenden Produktion wesentlich geringer, hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Lampenherstellung in Südostnoricum. Von Bedeutung ist darüber hinaus die an der Donau gelegene Gefäßkeramik- und Terrakottenproduktion in der Kastellsiedlung Favianis-Mautern, Nordnoricum, spezialisiert auf die Verarbeitung von hochqualitativem kaolinhaltigem Ton.

Iuvavum-Salzburg, Keramikproduktionsstätten (rot)

Favianis-Mautern, Keramikproduktionsstätten (rot)

 

Römisch beeinflusste Keramikproduktion in römischen Städten

Bislang ist in fünf Städten der Provinz Noricum eine lokale Keramikproduktion nachgewiesen: In Iuvavum-Salzburg, Nordnoricum, ist neben der hauptsächlich keltisch geprägten Produktion auch der Nachweis von Modelware nach römischem Vorbild gelungen. Terrakotten und Lampen römischer Art wurden in Ovilavis-Wels, Nordnoricum, produziert. Bedeutsam ist der Nachweis von in Modeln hergestellten Sigillataimitationen in Cetium-St. Pölten, Nordnoricum. Keine Hinweise auf Produktionen nach römischem Vorbild liegen bislang für die auch nicht ausreichend publizierten Werkstätten bzw. Werkabfälle von Flavia-Solva-Wagna und Celeia-Celje, Südnoricum, vor.

In Iuvavum-Salzburg ist der frühest mögliche Hinweis auf eine Herstellung römisch-mediterraner Formen für die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. mit dem Nachweis von Reibschüsseln und Henkelkrügen in einem Töpfereiabfall anzunehmen. Die Übernahme römischer Technik ist jedenfalls gewiss im 2. Jh. n. Chr. aufgrund eines Models für Maskenappliken in Iuvavum-Salzburg dokumentiert. Die Produktion von Lampen und figuralen Terrakotten in Ovilavis-Wels dürfte in das 2. Jh. n. Chr. datieren. Der Versuch einer Herstellung von Sigillataimitationen mit Modeltechnik in Cetium-St. Pölten erfolgte nicht vor dem späten 2./frühen 3. Jhs. n. Chr.:

Produktion von Modelware in Cetium-St. Pölten

In Cetium-St. Pölten, Nordnoricum, liegt für das späte 2. und das frühe 3. Jh. n. Chr. der Hinweis auf eine lokale Fertigung von Sigillataimitationen in Modeln vor. Sowohl die Funde von Modeln als auch von Fehlbränden bezeugen, dass nach dem Vorbild mittel- und ostgallischer Produkte des späten 2. Jhs. n. Chr. sowie Rheinzaberner Sigillata der Versuch einer lokalen Herstellung unternommen wurde. Die Model liegen ebenso wie die verworfenen Reste von tongrundigen Imitationen des Schüsseltyps Drag. 37 aus einem Viertel am Westrand der Stadt vor. In dem mit ein- und zweiräumigen Holzständerbauten und Feuerstellen strukturierten Werkstattareal, welches sich zwischen Steingebäuden erstreckte, konnten auch zwei Keramikbrennöfen dokumentiert werden, in denen durchweg grobtonige Gebrauchskeramik wie Knickwandschüsseln, Teller, Krüge, Deckel, Reibschüsseln gebrannt wurden. Hinweise auf eine über den lokalen Rahmen hinausgehende Verbreitung der Produkte sind nicht bekannt.

Cetium-St. Pölten, Lage der Keramikbrennöfen

Cetium-St. Pölten, Keramikproduktion

Cetium-St. Pölten, Model

Cetium-St. Pölten, TS-Imitation

Produktion von Modelware in Ovilavis-Wels

Eine Herstellung qualitativ hochwertiger Terrakotten in Modeln ist in Ovilavis-Wels belegt. Da die Funde von Modeln für figurale Terrakotten und Lampen aber aus keinem direkten Werkstattbefund stammen, ist die ursprüngliche Lage der Produktionsstätte ausschließlich anhand der Fundkonzentration in der nordöstlichen Randlage der Stadt zu erschließen. Auch der Zeitansatz ist nur hypothetisch: Aufgrund der im späten 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. in Nordwestnoricum zahlreich vorhandenen Terrakottenimporte aus Gallien kann darauf geschlossen werden, dass unter diesem Einfluss ein lokale Herstellung in Ovilavis-Wels möglicherweise im 2. Jh. n. Chr. erfolgte. Die Produzentennamen sind anhand der Model nicht zu eruieren, auch liegen keine Hinweise auf die Verbreitung der Produkte vor.

Ovilavis-Wels, Produktionsabfälle

Ovilavis-Wels, Terrakottamodel

Ovilavis-Wels, Lampenmodel

Produktion von Gefäßkeramik und Modelware in Iuvavum-Salzburg

Bedeutsam sind die über drei Jahrhunderte hinweg zu beobachtenden Produktionsnachweise im Municipium Iuvavum-Salzburg. Insbesondere das lange Tradieren keltischer Formen ist bemerkenswert, welches in Iuvavum-Salzburg eine besondere Note durch die bis in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. erfolgte Verwendung von keltischer zonal bemalter Ware aufweist. Direkte Produktionsnachweise für diese Ware liegen in zwei Werkstattbefunden des 1. Jhs. n. Chr. vor. Römischer Einfluss kann offenbar erstmals in einer Töpferei der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. (Fundort: Dreifaltigkeitsgasse) erfasst werden, wo neben der Herstellung von einheimischen keltischen Formen auch jene von Reibschüsseln und Henkelkrügen angenommen wird. Der wichtigste Hinweis auf eine Übernahme römischer Techniken ist durch den Fund eines Models für eine Maskenapplik gegeben, der aufgrund des Kontexts bereits in das 2. Jh. n. Chr. datieren dürfte:

Iuvavum-Salzburg, Töpferei, Mitte 1. Jh. n. Chr.: Der älteste Produktionsnachweis im Municipium Iuvavum-Salzburg datiert in claudische bis flavische Zeit und konnte gemeinsam mit Blockbauten eines Werkstattviertels am Westrand der Stadt erfasst werden. Über die Strukturen der Töpferei ist wenig bekannt, es wurden auf einer Freifläche zwischen zwei Blockbauten der Werkplatz und die Heizkammer eines Brennofens beobachtet. Neben signifikanten Werkzeugen wie Glättsteinen und Holzspachteln wurden auch Fehlbrände geborgen, welche die in Iuvavum-Salzburg bis in die zweite Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. üblicherweise verwendete keltische zonal bemalte Ware repräsentieren.

Iuvavum-Salzburg, Lage der Töpferei

Iuvavum-Salzburg, Fehlbrände

Iuvavum-Salzburg, Töpferei, zweite Hälfte 1. Jh. n. Chr.: Eine weitere Töpferei der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. liegt in der nördlichen Siedlungsrandlage jenseits der Salzach (Fundort: Dreifaltigkeitsgasse). Es konnten zwei Brennöfen sowie eine Abfallgrube mit Abwurf dokumentiert werden. Produziert wurden zum überwiegenden Teil einheimische Formen wie Töpfe mit Wellenband und, ähnlich wie im oben beschriebenen Betrieb des Fundorts Salzburg-Kleines Festspielhaus, keltische Flaschen mit zonaler Bemalung. Hinweise auf italische Einflüsse liegen durch die Funde offenbar gleichfalls hergestellter Krüge und Reibschüsseln vor.

Iuvavum-Salzburg, Töpfereiumfeld, 2. Jh. n. Chr.: Im Municipium Iuvavum-Salzburg ist die Herstellung von Maskenappliken, welche wahrscheinlich als Teile von Loeschcke XX-Lampen und somit als Imitationen italischer Vorbilder zu interpretieren sind, frühestens im 2. Jh. n. Chr. nachzuweisen. Der Produktionsort liegt nicht zentrumsnah, sondern wie die Töpferei des Fundorts Salzburg-Dreifaltigkeitsgasse jenseits des Flusses. Die Abfälle aus einer Töpferei, neben dem Model der Maskenapplik auch Fehlbrände von Gefäßkeramik und von Wandheizungsziegeln, weisen auf einen bislang archäologisch nicht dokumentierten Werkplatz hin, der sich unweit der im 1. Jh. n. Chr. betriebenen Töpferei in der Dreifaltigkeitsgasse befand. Der Model der Maskenapplik belegt erstmals eine unter römischem Einfluss erfolgte Produktionstechnik in Iuvavum-Salzburg und ist insofern von Bedeutung als üblicherweise die lokale Töpfereien sehr stark keltisch geprägt sind.

Iuvavum-Salzburg, Lage der Töpferei der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr.

Iuvavum-Salzburg, Töpferei der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr.

Iuvavum-Salzburg, Lage der Töpfereiabfälle des 2. Jhs. n. Chr.

Iuvavum-Salzburg, Applikenmodel

Iuvavum-Salzburg, Töpferei, frühes 3. Jh. n. Chr.: Der jüngste Nachweis einer lokalen Töpferei liegt anders als die ansonst in Siedlungsrandlage befindlichen Keramikwerkstätten im zentralen städtischen Raum. Die Töpferei des frühen 3. Jhs. n. Chr. mit einem Keramikbrennofen ist Teil eines mit beheizten Wohnräumen und Küche ausgestatteten Stadthauses. Die hergestellte Ware lässt zum einen ein Weitertradieren keltischer Elemente anhand der Töpfe mit Wellenband erkennen, zum anderen ist mit den seit dem späten 1. Jh. n. Chr. in Nordwestnoricum geläufigen steilwandigen Tellern eine deutlich modifizierte Adaption römischer Formen wahrscheinlich.

Iuvavum-Salzburg, Lage der Töpferei des frühen 3. Jhs. n. Chr.

Iuvavum-Salzburg, Töpferei des frühen 3. Jhs. n. Chr.

Iuvavum-Salzburg, Produkte der Töpferei des frühen 3. Jhs. n. Chr.

Eine überregionale Verbreitung der im Municipium Iuvavum-Salzburg hergestellten Keramik ist bislang nicht zu belegen, auch ist festzustellen, dass im Umland der Stadt, so in Loig-Wals, eigenständige Produktionen von Gefäß- und Baukeramik erfolgten. Bemerkenswert ist, dass römischer Einfluss im Spektrum der für den lokalen Markt produzierenden Töpfer gering ist; das bedeutendste Beispiel einer durch die Römer vermittelten Technik liegt mit dem Fund eines Models für Maskenappliken vor.

 

Römisch beeinflusste Keramikproduktion in ländlichen Siedlungsplätzen

Die bislang in den ländlichen Siedlungsplätzen von Nordnoricum und Südostnoricum festgestellten Töpfereien produzierten für den lokalen oder kleinräumigen regionalen Markt. Anhand eines Formenvergleichs von Gefäßfunden aus der Straßen-/Gewerbesiedlung mit Töpferei von Gleisdorf und der 22 km entfernten Siedlung von Saaz, Südostnoricum, konnte gezeigt werden, dass typische Produkte aus Gleisdorf flussabwärts Verbreitung fanden. Die in den ländlichen Siedlungen hergestellte Gebrauchskeramik ist in Hinblick auf Technik und Formgut durchweg lokal geprägt, römische Einflüsse sind aufgrund der Übernahme von mediterranen Gefäßtypen wie beispielsweise von Tellern/Backplatten und Reibschüsseln zu belegen. Die typisch römische bzw. mediterrane Technik der Herstellung von Modelware ist nur vereinzelt zu erfassen.

Produktion von Sigillata- bzw. Sigillataimitationen: Die Imitation glatter Sigillatatypen ist aufgrund des Vorkommens dieser Fundgattung in den Siedlungsbefunden des ländlichen Raums ein in geringem Maß erfassbares Phänomen, der direkte Beleg einer solchen Produktion anhand von Funden aus einer Töpferei steht aber noch aus bzw. ist dies aufgrund mangelnder Fundvorlagen nicht nachzuvollziehen. Ausschließlich im Umfeld der städtischen Zentren von Nordnoricum (s. oben) ist die aufwändige Herstellung von Sigillataimitationen unter Zuhilfenahme von Modeln ab dem späten 2. Jh. n. Chr. nachgewiesen. Der Beleg eines Produktionsversuchs von Sigillata ist im Umland von Iuvavum-Salzburg, und zwar in Loig-Wals bekannt. Der Fund einer ungebrannten Sigillata in Loig-Wals zeigt Bezüge zu der Großproduktion von Westerndorf. Gefunden wurde das Halbfabrikat in einer Töpferei mit zwei Keramikbrennöfen sowie einem Trockenraum, welche im Areal 1km südöstlich des Gutshofs von Loig-Wals festgestellt wurde. Neben dem Herstellungsversuch von Sigillata wird die Erzeugung von Ziegeln sowie lokalen Gebrauchskeramiktypen und römisch beeinflussten Formen wie Backplatten und Reibschüsseln angenommen.

Loig-Wals, Lage der Töpferei

Loig-Wals, Keramikbrennöfen

Loig-Wals, Terra Sigillata

Lampenproduktion: In Südostnoricum liegen bislang zwei Hinweise auf eine lokale Produktion von Loeschcke-X-Lampen vor. Aus der Straßen-/Gewerbesiedlung von Gleisdorf stammt ein Model für die Herstellung von Lampen. Die Fundumstände sind nicht bekannt und so lässt sich der Modelfund auch in keinen direkten Zusammenhang mit der in dieser Siedlung festgestellten Töpferei bringen.

Ein weiterer Lampenmodel liegt aus dem römischen Gutshof von Retznei unweit des südostnorischen Municipiums Flavia Solva-Wagna vor: In einem mit Regenrinnen ausgestatteten Hof des Gutshofs von Retznei wurde der Model für eine Lampe mit Rosettenstempeldekor gefunden. Weder über die Zeitstellung dieses Altfunds noch über die Struktur der Werkstatt aus der dieser Model stammt, ist Näheres bekannt. Beachtenswert ist allerdings die bei der Bearbeitung der Lampenfunde aus dem rund 4 km entfernten Municipium Flavia Solva-Wagna festgestellte modelgleiche Lampe des Typs Loeschcke X mit Rosettenstempel, womit eine kleinräumige Verbreitung der Produkte aus Retznei möglich erscheint.

Retznei, Gutshof

Retznei, Lampenmodel

Flavia Solva-Wagna, Rosettenstempel

 

Römisch beeinflusste Keramikproduktion in Kastellsiedlungen

Eine Keramikproduktion in Kastellsiedlungen ist als übliches Phänomen am norischen Limes zu beobachten. Da außer im Fall von Favianis-Mautern wenig über die Produktpalette dieser Töpfereien bekannt ist, lässt sich ausschließlich anhand der Zahl der vorgelegten Befunde von Keramikbrennöfen abschätzen, dass die Produktionsmengen - sieht man von Favianis-Mautern ab - klein waren. Ein Überblick über die Produkte und die Techniken ist bislang ausschließlich anhand der Befunde und Funde der Töpfereien von Favianis-Mautern in größerem Maßstab zu erfassen, die vom 2. bis zum 5. Jh. n. Chr. produzierten. Zum überwiegenden Teil wurde fein und grobtonige Gebrauchskeramik produziert, wobei als Besonderheit hervorzuheben ist, dass in der stark forcierten lokalen Produktion der Gebrauchskeramik während des 2. Jhs. n. Chr. ein über Zuwanderer vermitteltes Formenrepertoire aus den unterpannonischen bzw. moesischen Provinzen bestimmend war. Die Zuwanderung erfolgte nach den Dakerkriegen im Zuge einer Truppenstationierung in Favianis-Mautern.

Favianis-Mautern, Keramikproduktionsstätten des 2. bis 5. Jhs. n. Chr.

Moesische Vorbilder und lokale Produkte

Der Import bzw. Gebrauch mittelgallischer Terrakotten in Favianis-Mautern ist von flavischer Zeit bis in die mittleren Jahrzehnte des 2. Jhs. n. Chr. belegt. Eine lokale Imitation dieser Terrakotten unter Zuhilfenahme des anstehenden kaolinhaltigen Werkstoffs und unter Verwendung von Modeln könnte bereits für die flavische Zeit indirekt durch ein Fertigprodukt indiziert sein, weitere Hinweise liefern Funde der mittleren Jahrzehnte des 2. Jhs. n. Chr. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der Fund zweier Model für die Herstellung figuraler Appliken in Form von Hasen, welche aus dem Kontext einer Werkstatt der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. stammen. Diese Töpferei befindet sich gemeinsam mit einem zweiten benachbarten Betrieb im östlichen Abschnitt der Siedlung rund 300 m vom Kastell entfernt. Neben den überdachten Arbeitsplätzen mit Keramikbrennöfen konnten Grubenhütten, Arbeitsgruben und Gruben mit Abwurf dokumentiert werden. Diese Werkstätten wurden von einer Gruppe von Töpfern betrieben, die aus den Provinzen an der unteren Donau stammten (s. oben). - Über den Bezug der gleichfalls in der Kastellsiedlung Favianis-Mautern gefundenen Lampenmodel zu einem Werkstattkontext ist leider nichts bekannt, der Herstellername in einem dieser Model ist nicht lesbar.

Favianis-Mautern, mittelkaiserzeitliche Töpfereien

Favianis-Mautern, mittelkaiserzeitliche Töpfereien

Favianis-Mauter, Terrakotten

Favianis-Mautern, Applikenmodel

Über die Verbreitung der Produkte von Favianis-Mautern lässt sich bislang wenig sagen. Rohstoff- und Typenvergleiche zeigen allerdings, dass die in Favianis-Mautern gefertigte Gebrauchskeramik Donau abwärts bis nach Carnuntum gelangte. Ob es sich hierbei um Handelsware oder ausschließlich durch den Besitzer transportierte Gefäße handelt, ist fraglich.

 

Zeitpunkt der Entstehung der Keramikproduktion nach römischem Vorbild im Überblick

Ein längerfristiges Betreiben von Werkstätten ist in Noricum bislang ausschließlich im Municipium Iuvavum-Salzburg und in der Kastellsiedlung Favianis-Mautern zu dokumentieren:

In Iuvavum-Salzburg liegen drei Jahrhunderte hindurch Produktionsnachweise vor (drei Werkstattbefunde und eine Platz mit Werkabfällen, Mitte/zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. bis frühes 3. Jh. n. Chr.). Die ältesten Produktionsnachweise in Iuvavum-Salzburg datieren in die mittleren Jahrzehnte und die zweite Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. Allerdings ist festzustellen, dass die Produkte dieser ältesten Töpferei kaum römischen Einfluss erkennen lassen, sondern hauptsächlich als hochqualitative keltische Produkte anzusprechen sind. Römische Produktionstechniken, also die Herstellung von Modelware, sind nicht vor dem 2. Jh. n. Chr. in Iuvavum-Salzburg auszumachen.

In Favianis-Mautern wird vier Jahrhunderte hindurch (elf Werkstätten, zweites Drittel des 2. Jhs. n. Chr. bis frühes 5. Jh. n. Chr.) Keramik produziert. Eine Großproduktion unter römischem Einfluss ist ab den mittleren Jahrzehnten des 2. Jhs. n. Chr. zu erfassen, neben Gefäßkeramik wurden auch Appliken und Terrakotten hergestellt. Den indirekten Beleg für eine lokale Herstellung von Modelware nach gallischem Vorbild könnte in Favianis-Mautern für das späte 1. Jh. n. Chr. ein Terrakottenfund aus dem typischen Rohstoff lokal gefertigter Ware liefern.

Alle weiteren Produktionsnachweise von Terrakotten und Lampen unter römischem Einfluss datieren in Noricum nicht vor das 2. Jh. n. Chr., Herstellungsversuche von Sigillaten bzw. Sigillataimitationen in Modeln sind im späten 2./frühen 3. Jh. n. Chr. ein kurzfristiges Phänomen.

 

Hergestellte Ware, deren Produzenten und deren Verbreitung im Überblick

Ausschließlich im Umfeld der städtischen Zentren von Nordnoricum (Loig-Wals bei Iuvavum-Salzburg und Cetium-St. Pölten) kann die aufwändige Herstellung von Sigillaten bzw. Sigillataimitationen unter Zuhilfenahme von Modeln ab dem späten 2. Jh. n. Chr. nachgewiesen werden. Die Imitation von glatten Sigillataformen ist in der Limesregion anhand des publizierten Funds aus der Töpferei von Ebelsberg südlich des Kastells Lentia-Linz im 2. Jh. n. Chr. anzunehmen.

In Hinblick auf die Akzeptanz des römischen Formenrepertoires sind naturgemäß die Nachweise der Herstellung von Lampen und Terrakotten bedeutsam, wobei eine eigenständige Produktion von figuraler Modelware ausschließlich in Nordnoricum (Municipia: Iuvavum-Salzburg, Ovilavis-Wels; Kastellsiedlung: Favianis-Mautern) nachzuweisen ist, wohingegen die Produktion von Lampen vereinzelt in Nordnoricum (Municipium: Ovialvis-Wels; Kastellsiedlung: Favianis-Mautern) und in Südostnoricum (Straßen-/Gewerbesiedlung: Gleisdorf; Gutshof: Retznei) belegt ist.

In der Kastellsiedlung Favianis-Mautern ist eine Herstellung von Modelware zeitgleich mit dem Zuzug von Bevölkerungselementen aus Südostpannonien bzw. aus Westmoesien während der mittleren Jahrzehnte des 2. Jhs. n. Chr. (nach Beendigung der Dakerkriege) direkt in einem Werkstattbefund zu dokumentieren. Weitere Hinweise auf die Produzenten von Terrakotten, Lampen und Sigillataimitationen unter römischem Einfluss in Noricum liegen nicht vor. Auch ist nichts über die Verbreitung dieser Produkte bekannt, sieht man von einer kleinräumigen in Südostnoricum zwischen der Produktion im Gutshof Retznei und dem 4 km entfernten Municipium Flavia Solva-Wagna ab.

H. Sedlmayer

Literatur

St. Groh - H. Sedlmayer, Forschungen im Vicus Ost von Mautern-Favianis, RLÖ 44 (2006).

M. Hell, Ein Herstellungsversuch von Sigillata in Noricum, Car. I. 143, 1953, 698-700.

K. Holter - G. Trathnigg, Wels von der Urzeit bis zur Gegenwart, Jahrbuch des Musealvereins Wels 25, 1984/85.

I. Kainz, Die römischen Lampen aus Flavia Solva, ungedr. Diplomarbeit Graz (1986).

W. K. Kovacsovics, Iuvavum, in: M. Šašel Kos - P. Scherrer (Hrsg.), The Autonomous Towns of Noricum and Pannonia. Noricum, Situla 40 (Ljubljana 2002) 165-201.

W. K. Kovacsovics, Iuvavum - Neue Beobachtungen zur Struktur der römischen Stadt, Aquincum Nostrum 2/3 (2005) 145-158.

Ch. Riegler, Eine lokale Terra Sigillata-Produktionsstätte in Aelium Cetium, in: P. Scherrer (Hrsg.), Landeshauptstadt St. Pölten. Archäologische Bausteine, SoSchrÖAI 22 (1991) 87-90.

Ch. Riegler, Keramische Funde der Ausgrabungen St. Pölten - Rathausplatz, Pro Austria Romana 39/11-12, 1989, 35-36.

R. Risy, Römerzeitliche Brennöfen in Noricum, ungedr. Diplomarbeit Wien (1994).

P. Scherrer, Kurzer Bericht über die Ausgrabungen auf dem Rathausplatz 1988/89, in: P. Scherrer (Hrsg.), Landeshauptstadt St. Pölten. Archäologische Bausteine, SoSchrÖAI 22 (1991) 81-85.