Römische Gräber waren – wie überall, so auch in Pannonien – oberirdisch, zumindest mit einer Holztafel, gekennzeichnet; besser gestellte Familien leisteten sich entweder Grabsteine mit Inschrift und Bildnis des Verstorbenen oder aufwendige Grabbauten mit reichem Reliefschmuck.
Im Gegensatz zur Provinz Noricum, wo die Entdeckung der Nekropole von Šempeter (bei Celeia/Celje, Slowenien) einen grundlegenden Beitrag zur Erforschung der Grabbauten und deren Rekonstruktion geleistet hat, findet man in Pannonien kein entsprechendes Ensemble.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die selben
Grabbautypen (Grabstele, Grabaltar, Aedicula) wie in Noricum verwendet wurden.
Entlang der Gräberstraßen, die die Ausfallstraßen der Siedlungen flankieren, trifft man zwar häufig die rechteckigen oder kreisförmigen Fundamente von Grabbauten, wie dies zum Beispiel bei der Gräberstraße von Carnuntum der Fall ist), an, die Architekturteile sind hingegen nicht mehr
oder nur noch als vereinzelte Steine erhalten. Dies liegt daran, dass die Bauten
oft schon in der Antike
dem Steinraub zum Opfer fielen, wie zum Beispiel die häufige Wiederverwendung größerer Reliefplatten als Abdeckung spätantiker Körpergräber zeigt.
Die pannonischen Grabbauten zeigten, genauso
wie die norischen, Darstellungen der Verstorbenen. Auf den meisten dieser Reliefs
tragen die Frauen die einheimische so genannte norisch-pannonische Fibeltracht.
Die Männer hingegen lassen sich schon relativ früh – vorausgesetzt sie besaßen das römische Bürgerrecht – in der toga abbilden. Kinder sind in der Regel in der gleichen Aufmachung dargestellt wie
ihre Eltern. Als Beispiel dient der Grabstein aus der Pfarrkirche Neumarkt
im Tauchental (Bgld.): Hier ist ein Ehepaar mit seiner Tochter dargestellt.
Mutter (links) und Tochter (Mitte) tragen die einheimische Frauentracht, die
an den Schulterfibeln und der norischen Haube zu erkennen ist. Der Vater (rechts) ist in eine toga gekleidet. In seiner linken Hand hält er eine Buchrolle, die er mit Zeige- und Mittelfinger der Rechten berührt. Diese Darstellung lässt sich mit Hilfe der Haar- und Barttracht des Mannes, die an Porträts des Kaisers Antoninus Pius (138–161) erinnert, in mittelantoninische Zeit
datieren.
Weiters wurden als Verzierung der Grabdenkmäler
Reliefs mit dem selben Themenrepertoire wie in Noricum verwendet (siehe "Grabbauten in Noricum"); auffallend häufig trifft man in Pannonien allerdings Darstellungen der Wagenfahrt und des
Totenmals an.
Aufgrund der hohen militärischen Präsenz in Pannonien wurden auch oft als Inhalt für die Gestaltung der Seitenwände militärische Themen verwendet, wie ein Beispiel aus Au am Leithagebirge (NÖ) zeigt, auf dem ein calo (?) in der Ausrüstung eines centurio dargestellt ist.
Die
eben beschriebenen Seitenwandplatten haben ihren Verbreitungsschwerpunkt im
ehemaligen Kerngebiet der civitas Boiorum, also dem Hinterland von Vindobona und Carnuntum. Da diese Platten
in der Regel außerhalb des ursprünglichen Kontextes gefunden wurden, ist eine Zuordnung zu bestimmten Typen von
Grabbauten sehr schwierig.
Es gibt den Vorschlag diese Platten zu einer Grabaedicula zu rekonstruieren, was jedoch die Frage aufwirft, warum nur die Innen- und nicht auch die Außenflächen der Platten reliefiert waren, da Grabaediculae meistens an allen Seiten Reliefs als Verzierung trugen.
Dieser
Widerspruch führte
zur Überlegung, dass es sich um die architektonischen Bestandteile von Hügelgräbern handeln könnte. Die Verwendung von Architekturelementen ist für Grabhügel des italisch-mediterranen Typs charakteristisch. Dabei könnte es sich um tumuli gehandelt haben, die neben einer Umfassungsmauer einen mit Seitenwandplatten
verzierten Eingangsbereich besaßen und bei denen durch die Anbringung einer Grabstele zwischen den Seitenplatten
unter dem Architrav eine Scheintüre gebildet wurde. Mit Hilfe dieser Rekonstruktion scheinen die Platten
eher ihrem Zweck zugeführt zu sein, als als Grabaedicula, da dadurch nur mehr die reliefierten Seiten
der Platten sichtbar sind. Diese Theorie kann jedoch nur mit dem Fund derartiger
Seitenplatten in situ bestätigt werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass allgemein mit der Gestaltung der Grabdenkmäler der Wunsch, von der Nachwelt nicht vergessen zu werden, zum Ausdruck gebracht wird. Es bleiben aber für Nordwestpannonien noch viele Fragen offen. Trotz der einheimischen und lokalen Elemente, vor allem bei der Gestaltung der Reliefs, ist römischer Einfluss auf das Bestattungswesen nicht abstreitbar. Vorausgesetzt, die Theorie zu den architektonisch ausgestalteten Grabhügeln stimmt, so zeigt sich bei den Hügelgräbern im Gebiet der civitias Boiorum ein weitaus größerer römischer Einfluss als bei den norischen Grabhügeln, die nur aus aufgeschütteter Erde ohne Einfassung bestehen. Mann könnte darin den Versuch sehen, einheimische Traditionen mit römischen Elementen zu verbinden, um eine neue eigenständige lokale Identität zu bilden.
Julia Stundner
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